Neulich habe ich auf bei SRF Wissen einen Dokumentarfilm zum Zyklus gesehen, was mich sehr gefreut hat. Es ist definitiv positiv, dass die Thematik allmählich mehr Präsenz in den Medien bekommt. Verschiedene Aspekte des Menstruationszyklus wurden in dem Film behandelt. Zum Beispiel spricht eine Gynäkologin davon, dass sie es als kritisch betrachtet, wenn man sein Leben nach den Zyklusphasen ausrichtet bzw. diesen eine zu hohe Wichtigkeit zukommen lässt, weil es oft dazu führt, dass man bestimmte Erwartungen entwickelt und sich aufgrund dieser Erwartungen vielleicht falsch einschätzt. Ist man als Menstruierende in der Lutealphase und weiß aus vorheriger Erfahrung, dass man sich dort eher zurückzieht und vielleicht dazu tendiert, gereizt und negativ eingestellt zu sein, dann geht man womöglich auch in der nächsten Zyklusphase davon aus. Läuft man dann Gefahr, sich unnötig klein zu machen? Ist das eine selbsterfüllende Prophezeiung? Was ist, wenn man in der nächsten Lutealphase plötzlich sehr kontaktfreudig ist oder gute Laune hat? Immerhin kann das auch vorkommen.
Tatsächlich sehe ich mich momentan im aktuellen Zyklus mit genau dieser Problematik konfrontiert. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich diesen Beitrag verfasse, befinde ich mich in der Follikelphase, kurz vor Beginn der Ovulationsphase. Aus Erfahrung weiß ich, dass es mir dann recht gut geht, weil ich wieder Energie habe und voller Tatenkraft stecke. Ich habe viele Ideen, möchte nach draußen in die Welt und bin bereit für neue Erlebnisse und Erfahrungen. Nur dieses Mal ist es anders. Und ich merke, dass ich durchaus frustriert bin, weil ich mit diesem Zustand gerechnet hatte. Aber er stellt sich nicht ein. Ganz im Gegenteil, ich fühle mich wie in meiner Lutealphase – gereizt, müde, überfordert und orientierungslos. Ich muss zugeben, dass es mir nahezu unfair vorkommt, besonders weil ich mich schon in der Lutealphase häufig schlecht fühle, möchte ich mich zumindest in der ersten Zyklushälfte in einer besseren Verfassung wiederfinden. Doch natürlich ist dies nicht die Logik, nach der unser Körper funktioniert. Denn der Zyklus ist ja auch nur ein Aspekte bei der Bestimmung unseres Gesamtzustands – körperliche sowie emotionale Gesundheit, Einflüsse aus dem Umfeld und weitere Faktoren spielen auch eine Rolle.
In dem Hinblick kann ich die Sorge der Gynäkologin auf jeden Fall verstehen. Gewiss besteht das Potential, Erwartungen zu schüren, die dann eventuell nicht eintreten. Aber das ist meiner Meinung nach ein normaler Bestandteil des Lebens. Egal was man sich vornimmt – man wird immer unweigerlich bestimmte Erwartungen entwickeln und manchmal wird nun einmal nicht das passieren, womit man gerechnet hat. Sollte man deswegen komplett damit aufhören, mit seinen vorhandenen Informationen zu planen, oder sich beim Abschätzen der Zukunft an seinen bisherigen Erfahrungen zu orientieren? Das kann meiner Ansicht nach auch nicht die richtige Antwort sein.
Weiterhin gab es eine Aussage der Gynäkologin, die mich etwas stutzig gemacht hat. Am Ende ihres Beitrags erwähnt sie, dass eine zu starke Ausrichtung auf den Zyklus dazu führt, dass wir Menstruierenden denken, wir könnten nicht in jeder Phase leistungsstark sein. Ihrer Meinung nach können wir immer performen. Ja, auch dies ist theoretisch korrekt. Der Zyklus ist immerhin vollkommen individuell und mir fällt es selbst beispielsweise enorm schwer, mich in der Menstruationsphase ganz zurückzuziehen und auszuruhen. Meistens arbeite ich dann doch ganz normal weiter. Aber ich habe auch das Glück, dass mich im Gegensatz zu vielen anderen Menschen keine Menstruationskrämpfe beeinträchtigen. Ich bin in dieser Phase zwar oft etwas kraftloser, aber funktioniere ansonsten trotzdem recht gut. Ich sehe den Gedankengang trotzdem stark kritisch, da damit erneut suggeriert wird, dass unabhängig davon, wie man sich fühlt, man trotzdem immer Leistung erbringen kann oder soll. Er trägt den bitteren Beigeschmack von „Ah, du hast Unterleibschmerzen? Dann nimm doch einfach eine Tablette, damit du weitermachen kannst.“
Damit möchte ich nicht sagen, es sei nicht legitim, extremen Schmerzen mit Medikamenten entgegen zu wirken. Aber die Aussage impliziert im Ansatz eben schon, dass man die Signale seines Körpers ignorieren und unberührt weiterarbeiten sollte, was außer Acht lässt, dass wir als Menschen mit individuellen Bedürfnissen keine linear gleich funktionierenden Wesen sind.
Natürlich kann man in jeder Zyklusphase alles machen, was man möchte und worauf man Lust hat. Aber der Körper und die Hormone stellen einem eine gewisse Grundlage zur Verfügung, an der man sich orientieren kann, um mit dem Körper und nicht gegen den Körper zu arbeiten.
Ich für meinen Teil sehe den Zyklus nach wie vor als eine Art Führung, an der ich mich orientieren kann. Er schafft Bewusstsein und sensibilisiert mich. Und ich finde es enorm hilfreich, dass ich zum Beispiel weiß, wann meine Lutealphase ist und was diese Phase gewöhnlicherweise mit mir macht. Das hilft mir zu planen und vorzusorgen, um mir diese Zeit einfacher, angenehmer und schöner zu gestalten. Und wenn der Fall eintrifft, dass ich mich entgegen meiner Erwartungen energetisch und positiv fühle, dann ist das alles andere als bedauernswert. Solche Momente sind eine Erinnerung daran, dass der Zyklus lebendig ist und nicht ausnahmslos starren Gesetzesmäßigkeiten folgt. Ich möchte mir die Offenheit und Wachsamkeit bewahren, auf meinen Zustand in der Gegenwart zu reagieren und damit zu arbeiten, anstatt mich zu lange daran aufzuhalten, dass meine Erwartungen mal nicht erfüllt wurden.