Mein Zyklus und Ich

Wie viele andere menstruierende Frauen habe ich lange Zeit den Zyklus mit meiner Periode gleichgesetzt. Ich wusste, was mich jeden Monat erneut erwartete und war darauf eingestellt. Ich kann mich glücklicherweise zu denen zählen, die nicht monatlich von starken Unterleibschmerzen in die Knie gezwungen werden. Im Gegenteil – eigentlich ging und geht es mir bisweilen relativ gut, wenn ich meine Periode habe. Ich fühle mich dann zwar häufig etwas schlapp und bin eher in mich gekehrt, aber das ist für mich in Ordnung. Mein persönlicher Endgegner ist die Phase vor meiner Periode, wenn ich intensiv von PMS (prämenstruelles Syndrom) heimgesucht werde. Es fühlt sich dann an, als sei ich nicht ich selbst. Ich habe beobachtet, dass ich in dieser Phase besonders sensibel und kritisch bin, leicht gereizt und schnell überfordert. In diesem Zustand stellt der Umgang mit mir oft keine Freude für meine Mitmenschen dar; außerdem gefährde ich ungewollt mein eigenes psychisches und emotionales Wohlbefinden, weil ich dazu neige, zu selbstkritisch zu werden. Ganz ehrlich – am liebsten würde ich mich regelmäßig in einer abgelegenen Hütte im Wald zurückziehen und erst wieder herauskriechen, wenn der Sturm vorüber ist. Diese Dinge sind mir aber erst so richtig bewusst geworden, als ich schließlich im Alter von 22 Jahren die Pille abgesetzt habe. Wie viele Frauen habe ich jahrelang die Pille genommen. Glücklicherweise erst relativ spät, wenn man bedenkt, dass viele junge Mädchen schon mit 13 oder 14 Jahren die Pille verschrieben bekommen und das häufig explizit nicht aus Verhütungszwecken sondern weil sie mit Akne, starken Unterleibschmerzen oder anderen Symptomen während der Periode zu kämpfen haben.

Nachdem ich damals die Pille abgesetzt hatte, befürchtete ich, dass sich wahrscheinlich mein Hautbild verschlechtern würde oder dass ich eventuell Haarausfall bekomme. Ich habe direkt im ersten Zyklus nach dem Absetzen meine Periode bekommen, was für viele Frauen nicht die Regel ist, da es oft bis zu einem Jahr oder sogar länger dauern kann, bis die Periode wieder einsetzt. Die unmittelbaren Folgen habe ich sehr negativ in Erinnerung. Ich habe mich körperlich schwach gefühlt, meine Haut hat verrückt gespielt und auch der Haarausfall ließ nicht lange auf sich warten. Auch meine Psyche hat mich in Form vom ersten „PMS-Monster“ nach Jahren heimgesucht. Nach unzähligen Arztbesuchen, Check-Ups und umfangreicher Selbsttherapie sowie intensiver Beschäftigung mit dem Thema kann ich sagen, dass es mir jetzt nach acht Jahren ohne die Pille wirklich gut geht. Natürlich kämpfe ich immer noch in der Woche vor meiner Periode und auch an anderen Tagen mit mir, jedoch hilft mir hier das Bewusstsein darüber in welcher Zyklusphase ich mich befinde und was diese sowohl psychisch als auch physisch mit sich bringt. Mit der ersten Periode nach mehreren Jahren Pause durch die Pille hat sich mein Bewusstsein über meinen Zyklus von Monat zu Monat erweitert.

Mittlerweile weiß ich ganz genau in welcher Zyklusphase ich mich befinde. Ich weiß, was ich am besten esse um genügend Nährstoffe für die Bildung meiner Hormone zur Verfügung zu stellen, wie viel Schlaf ich benötige und ob jetzt der richtige Moment ist, um zum Beispiel einen wichtigen Termin wahrzunehmen oder nicht.

Ich habe erkannt, dass es mir sehr hilft, mich an meinem Zyklus zu orientieren. Er führt mich und gibt mir Halt, wenn ich mal nicht weiß, was mit mir los ist und ich mich verloren fühle. Durch diese bewusste Auseinandersetzung mit meinem Körper und meiner „Weiblichkeit“ wurde mein Zyklus für mich zu einer Quelle des Selbstvertrauens. Ich habe gelernt zu akzeptieren, dass es immer wieder Phasen geben wird, in denen ich nicht so produktiv bin, aber auch Phasen, in denen ich kreativ, bestimmt, und besonders konzentriert arbeiten kann. Und das gute ist, wie so vieles im Leben passiert dies in einem zyklischen Rhythmus – nach jedem Tief kommt ein neues Hoch.

Besonders während meiner Tätigkeit als selbstständige Designerin hilft mir mein Zyklus, meine Arbeit sinnvoll zu strukturieren und so aufzuteilen, dass ich die passende Aufgabe für jede Zyklusphase finde. Deswegen möchte ich mich in diesem Blog intensiv mit dem Thema Arbeit und Alltagsgestaltung im Einklang mit dem Zyklus beschäftigen. Mein Ziel ist eine noch tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema, einerseits um mich selbst besser zu verstehen und in mehr Harmonie mit meinem eigenen Körper leben zu können, anderseits möchte ich meine Erfahrungen und mein gesammeltes Wissen mit anderen Menschen teilen – sowohl mit Menstruierenden, die womöglich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben wie ich damals, als auch mit jenen, die nicht menstruieren. Auf diese Weise kann ich hoffentlich mehr Verständnis für diese (durchaus interessanten!) Phänomene schaffen und eine Konversation über ein Thema ermöglichen, dem unsere Gesellschaft leider immer noch nicht die Aufmerksamkeit schenkt, die es verdient.

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